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Vor 20 Jahren galten 400 PS als unglaublich viel. Heute gibt es Familienlimousinen und SUVs mit 600, 700 oder sogar 1000 PS. Die Frage drängt sich auf: Muss es immer noch mehr sein?

Wir haben drei Experten gefragt, warum Käuferinnen und Käufer so leistungsstarke Autos wollen, welche Rolle Elektro- und Hybridtechnik dabei spielen – und ob die Spirale irgendwann stoppt.
Leistung als Statussymbol
«Rationale Argumente spielen da eigentlich nicht mehr mit», sagt Autoexperte Rach. «Wenn man die Käufer fragt, warum sie dieses Auto gekauft haben, hört man ganz lustige Sachen: vom Fahrwerk bis zur Sicherheit für die Familie. Aber wenn man ehrlich ist, dann ist es Leistung – und eine Grösse zeigen.»

Für Fachmann Feurer ist es ein klares Statussymbol: «Es geht darum, dass man könnte – und nicht, dass man wird.»
Natürlich gebe es auch praktische Argumente wie sicheres Überholen oder hohe Geschwindigkeiten auf der deutschen Autobahn. Trotzdem gilt oft die einfache Regel: Mehr ist besser.
Das PS-Wettrüsten über alle Klassen hinweg
Früher war ein Golf GTI deutlich schwächer als ein BMW M5. Heute fährt er so schnell wie die Oberklasse von damals.
Selbst Kleinwagen und Kompaktmodelle wie Audi RS3 oder Mercedes-AMG A45 erreichen Leistungswerte, die vor 20 Jahren Supersportwagen vorbehalten waren.

«Kunden haben gelernt – oder man hat es ihnen beigebracht –, dass die PS-Zahl das wichtigste Kriterium ist», sagt Feurer. Rach ergänzt: «Wenn ein neuer AMG oder M erscheint, muss er den Vorgänger übertreffen. Sonst wird er dem Anspruch nicht gerecht.»
Elektrifizierung als Leistungsturbo
Der enorme Sprung hat auch technische Gründe: Strenge CO₂-Vorgaben fördern Elektro- und Hybridantriebe – und damit steigt die Leistung oft automatisch.
«Elektrische Antriebe sind vom Grundaufbau wesentlich einfacher zu steigern», erklärt Experte Engelmann. «Ich kann hier relativ simpel zum bestehenden Verbrennungsmotor nochmals 100 bis 150 kW addieren.»

Hersteller schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie erhöhen die Gesamtleistung und erfüllen gleichzeitig Emissionsvorgaben – zumindest auf dem Prüfstand.
Paradebeispiel ist Tesla, wo Modelle wie das Model S Plaid über 1000 PS bieten.
Kontrolle statt Grenze
Mehr Leistung erfordert auch mehr Kontrolle. Moderne Assistenzsysteme helfen, die Kraft auf die Strasse zu bringen – oft, ohne dass der Fahrer es merkt.
«Ohne diese Helfer wäre ein Auto mit 1000 PS für viele geradezu gefährlich», warnt Engelmann.
Trotzdem sehen die Experten kein baldiges Ende der Spirale. «Es gäbe andere Parameter wie Leichtbau, die man forcieren könnte», sagt Engelmann. Aber PS liessen sich einfacher vermarkten als Gewichtsvorteile. «Ich wage es zu bezweifeln, dass Gewicht so sexy ist wie Leistung», meint Rach.
Das Ende der PS-Zahl als Verkaufsargument
Irgendwann könnte die Leistung so abstrakt werden, dass sie ihren Reiz verliert.
«Wenn die PS-Zahl belanglos wird, kann ich über Leistung nicht mehr kommunizieren», so Rach. Feurer ergänzt: «Dann bringt es den Nutzen als Signal nicht mehr.»

Bis dahin aber bleibt «Mehr ist besser» gültig – auch für neue Marken.
Der chinesische Hersteller Xiaomi hat zum Beispiel gerade eine Limousine mit über 1500 PS vorgestellt. Das 2000-PS-Alltagsauto ist also keine Frage des Ob, sondern des Wann.